Die Primäre Lateralsklerose

Eine seltene neurologische Erkrankung

Was ist PLS?

Die Primäre Lateralsklerose (PLS) ist eine seltene neuromuskuläre Erkrankung mit fortschreitender Schwäche der willkürlichen  Muskelbewegungen, die sich als langsam progredientes Pyramidenbahn-Syndrom mit spinobulbärer Symptomatik äußert. 

Die Krankheit wird für eine gutartige Form der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) gehalten. Lateralsklerose führt zu einer Verhärtung der Seitenstränge des Rückenmarks mit der Folge von Lähmungserscheinungen. 

Die Primäre Lateralsklerose gehört zu einer als Motoneuronen-Krankheiten (MND) bezeichneten Gruppe von Krankheiten. Diese MND sind fortschreitende neurodegenerative Erkrankungen, bei denen der allmähliche Tod der Zellen der Motoneuronen in Gehirn und Rückenmark den wichtigsten Prozess darstellt. Die Klassifikation der MND untergliedert sich nach den betroffenen Zelltypen: 

  • nur die oberen, ersten motorischen Neuronen betreffend - PLS

  • nur die unteren, zweiten Motoneuronen betreffend - Progressive Muskelatrophie (PMA) und spinale Muskelatrophie (SMA)

  • obere und untere Motoneuronen betreffend - ALS. 

Eine große Herausforderung besteht darin, die PLS von der häufigeren Form der Motoneuronerkrankung, der amyotrophen Lateralsklerose (ALS), von der hereditären spastischen Paraparese (HSP) und weiteren neurodegenerativen Erkrankungen, welche sich anfangs im Verlauf ähnlich darstellen, frühzeitig abzugrenzen und eine klare Diagnose stellen zu können. Auch ist nicht endgültig geklärt, ob die PLS tatsächlich eine Form der ALS ist, weil sich bei einigen Patienten mit zunächst diagnostizierter PLS später doch deutlichere Anzeichen von Schädigungen der unteren, zweiten Motoneuronen zeigen. 

Die Steuerung der Muskulatur ist ein komplizierter Prozess. Dafür zeichnen zwei Gruppen von motorischen Nervenzellen verantwortlich. Die übergeordneten Zellen befinden sich in der Großhirnrinde (motorischer Kortex) und sind der Ausgangspunkt für einen langen Nervenfortsatz, der bis hinunter zum Rückenmark reicht. Diese Nervenzellen einschließlich ihres Nervenfortsatzes nennt man erstes motorisches Neuron. Der Nervenfortsatz hat Kontakt mit motorischen Nervenzellen im Rückenmark (zweites motorisches Neuron). 

Das erste Motoneuron kontrolliert das untergeordnete zweite Motoneuron, leitet Informationen aus dem Gehirn weiter an die Muskeln des zweiten motorischen Neurons. Eine Schädigung des ersten motorischen Neurons führt immer auch zu einer Beeinträchtigung der willkürlich induzierten Feinmotorik sowie zu einer unkontrollierten gesteigerten Aktivität des zweiten Motoneurons, die der Patient durch eine Erhöhung der Muskelspannung initial als Steifigkeit (Spastik) und leichte Schwäche empfindet. 

Die Primäre Lateralsklerose entsteht, wenn Nervenzellen in den motorischen Regionen der Großhirnrinde (die dünne Zellschicht im Gehirn, welche für fast alle höheren geistigen Funktionen verantwortlich sind) allmählich sterben, wodurch Bewegungen langsamer und aufwendiger werden. Bei der PLS zeigen sich zu Beginn und im Verlauf keine oder kaum Zeichen einer Schädigung des zweiten Neurons wie Faszikulationen, Muskelparese und/oder -atrophie. 

Die PLS wirkt sich nur auf die ersten Motoneuronen (auch  kortikospinale Neuronen genannt) durch progressive Spastizität in den unteren Extremitäten, im Rumpf, den oberen Extremitäten und in den bulbären Muskeln aus - meist in dieser Reihenfolge. An der selteneren bulbären Verlaufsform der Erkrankung mit initialen Sprech- und Schluckstörungen leiden anfangs 20 bis 30% der Patienten. 

Bis vor nicht allzu langer Zeit war über die Ursache der Krankheit kaum etwas bekannt, Vererbung spielt wohl in einigen wenigen Fällen der jugendlichen Primären Lateralsklerose eine Rolle, offenbar beruhend auf einer Mutation des ALS 2-Gens mit Kodierung des Zell-Signalproteins AlSiN. Überwiegend handelt es sich bei der PLS nach bisherigen Erkenntnissen aber um eine unheilbare, nicht vererbbare Erkrankung.     

Nach jahrelanger Suche haben Forscher nun offenbar die Ursache für die ALS und seine Formen gefunden. Danach funktioniert bei den Erkrankten ein wichtiges Abbau- und Reparaturprotein in den Nervenzellen von Gehirn und Rückenmark nicht korrekt, wodurch sich in den Zellen fehlerhafte Eiweiße ansammeln.   

Das Molekül namens Ubiquilin2 steuert normalerweise beschädigte Proteine in den motorischen Nervenzellen und Nervenzellen der Großhirnrinde. In ALS/PLS-Patienten arbeitet dieses Ubiquilin2 nicht richtig und so sammelt sich das Eiweiß mit den beschädigten Proteinen in den Nervenzellen an und lagert sich in ihnen ab, bis sie schließlich unwiederbringlich absterben und so letztlich die Steuerung der Muskulatur bei den Patienten versagt.  

Weiterhin diskutiert werden eine unkontrollierte Glutamatfreisetzung infolge einer Störung des Glutamattransports, oxydativer Stress oder Zellschäden durch freie Radikale.